Pflege – viel gelobt und schlecht bezahlt. Was tun die Gewerkschaften?

Veranstaltung am 24.02.2021
Pflege – viel gelobt und schlecht bezahlt.
Was tun die Gewerkschaften?

Während der Pandemie bekommt die Pflege einige Aufmerksamkeit: Politik und Medien überhäufen das Personal mit Anerkennung & Wertschätzung. “Verantwortungsträger” bekunden, wie “systemrelevant” die Pflegeberufe sind und üben sich in Selbstkritik für die späte Erkenntnis. Lob statt Lohn? Die geheuchelte Ehrerbietung wird von den Beschäftigten nicht nur begeistert aufgenommen. Klatschvideos von Mächtigen und Prominenten wirken eben ziemlich zynisch, solange sich an der miesen Bezahlung und der hohen Arbeitsbelastung nichts ändert. Eine bessere Bezahlung sowie bessere Arbeitsbedingungen sind aber gerade nicht die Konsequenz der zur Schau gestellten Dankbarkeit! Wer das erwartet hatte, sieht sich getäuscht und erhält zum Trost einen Strauß Blumen von RTL oder eine Anerkennungsprämie vom Minister. Das hat Gründe: Das Einkommen des Personals ist erstens bekanntlich eine Kost in der gewinnorientierten Rechnung ihrer Arbeitgeber, die sie daher möglichst gering halten wollen. Zweitens wird das Geschäft mit der Pflege durch staatliche Entscheidungen bestimmt, die sich auf die Sozialversicherungsbeiträge auswirken und die Unternehmen und den Staatshaushalt belasten. Viel Leistung und wenig Lohn – gerade darin sind die Pflegeberufe auch weiterhin so systemrelevant für Staat und Wirtschaft! Bislang haben die Pflegenden sich das weitgehend bieten lassen. Und die organisierte Gegenwehr ist so schwach, dass die Gewerkschaften im Pflegebereich schlicht um ihre Anerkennung als Tarifpartner kämpfen müssen. Grundsätzliche Besserung ist nicht in Sicht. Warum eigentlich nicht? Mit welchen Strategien setzten sich Gewerkschaften für die Interessen des Pflegepersonals ein? Auf welche Gegensätze stoßen sie dabei? Und welche Widersprüche stecken in den verschiedenen gewerkschaftlichen Strategien? Diese Fragen wollen wir – für Gruppe-K übrigens eine Premiere und ein Experiment – in Form einer Podiumsdiskussion mit Betroffenen und kritischen Fachleuten klären. Als Teilnehmer*innen für das Podium haben wir eingeladen:

1. Jan von Hagen von ver.di
2. Jürgen Drebes von der Pflege-Gewerkschaft BochumerBund (BB),
3. Suitbert Cechura – Gesundheitswissenschaftler
4. Renate Dillmann – Journalistin und Autorin des Buches „Der soziale Staat“.

100 Jahre Novemberrevolution

100 Jahre Novemberrevolution – eine marxistische Bilanz

Im Unterschied zwischen vielen anderen Ereignissen spielt die Novemberrevolution keine große Rolle in der nationalen Geschichtsschreibung. Zu Unrecht. Denn die damalige Auseinandersetzung zwischen reformistischer und revolutionärer Arbeiterbewegung hat das gesamte folgende Jahrhundert geprägt. Grund genug, sich damit einmal zu befassen…

Mit einer Flut von Veröffentlichungen, Gedenkveranstaltungen und Feuilletonbeiträgen erinnert man zur Zeit an die Revolution von 1918/19. Politiker, Historiker und Gewerkschafter loben die Novemberrevolution, indem sie die BRD loben. Um den “wahren Beginn unserer Demokratie” und den “Startschuss” für das Erfolgsmodell Sozialpartnerschaft soll es sich dabei gehandelt haben. Aus dieser Art Äußerung lässt sich weniger über die Geschichte erfahren, als über die Versuche von Gewerkschaften und Sozialdemokratie die eigene, kontinuierliche Erfolgsstory zu verfassen.

Die Gruppe K lädt ein zu Vortrag und Diskussion, wir wollen:

  • besprechen, wie es dazu kam, dass die deutsche Arbeiterbewegung in (mindestens) zwei ziemlich verfeindete Lager zerfiel
  • klären, was die Revolution an der Gesellschaft tatsächlich änderte
  • erinnern, mit welcher linken, rätekommunistischen Konkurrenz die Mehrheits-SPD zu dieser Zeit konfrontiert war und mit welchen blutigen Maßnahmen sie es schaffte, diese Konkurrenz aus dem Weg zu räume
  • Bilanz ziehen und fragen, ob es sich für die Arbeiterschaft in Deutschland wirklich gelohnt hat, auf die Karte Demokratie und Sozialpartnerschaft zu setzen

Vortrag & Diskussion an folgenden Terminen:

  • 5. November um 18.00h an der Ruhr-Universität Bochum, GA 03/49
  • 7. November um 19.00h im Nordpol in Dortmund, Münsterstr. 99 (Der regelmäßige Diskussionstermin der Gruppe K ist im Oktober einmalig nach Dortmund verschoben).

Stolz auf 125 Jahre Gewerkschaft? Nieder mit dem Lohnsystem!

 

Klar ist: Im Kapitalismus müssen Arbeiter um alles kämpfen, was sie brauchen – um Lohn, um Arbeitszeit, um Arbeitsbedingungen. Diesen Kampf können sie nur gemeinsam führen – alleine sind sie verloren. Dazu müssen sie sich organisieren. Diese Kampforganisation ist die Gewerkschaft. Stolz blickt der DGB zurück auf die Errungenschaften von 125 Jahre Gewerkschaftsbewegung.

Wir stellen die Gegenfrage: Was hat die Gewerkschaft denn für die Arbeiterbewegung erkämpft?

8-Stunden-Tag, die 5-Tage-Woche, das Streikrecht, ihre Anerkennung als Tarifpartner, das Betriebsverfassungsgesetz…
Wir sehen aber auch: Unsichere Arbeitsverhältnisse bei allen, ständig steigende Konkurrenz und Arbeitshetze, ein Viertel der Beschäftigten im Niedriglohnsektor, stetig sinkende Leistungen und stetig wachsende Belastungen bei den Sozialversicherungen, Jahre ohne Reallohnzuwachs, Rente mit 67 (und demnächst mit 70).

Das alles weiß die heutige Gewerkschaft natürlich auch – besser als wir. Sie hat ja alles mitverhandelt. In den Betrieben, bei Tarifverhandlungen, im Parlament; als anerkannte Kraft und wichtiger Verhandlungspartner.

Warum aber sieht die Lage der arbeitenden Klasse dann heute so scheiße aus?

1. Die heutige Gewerkschaft steht für die größte Lüge der Marktwirtschaft: Sie weiß zwar theoretisch irgendwo um den Gegensatz der Interessen von Kapital und Arbeit, meint aber, dass dieser Gegensatz vereinbar sei – solange sie selbst nur kräftig mitverhandeln darf!

2. Die heutige Gewerkschaft hat gelernt und anerkannt, dass Kapitalisten mit der Arbeit Gewinn machen müssen, weil es sonst keinen Lohn gibt. Deshalb tritt sie inzwischen offensiv für das nationale Wirtschaftswachstum ein. Dass für dieses Wachstum Lohnerhöhungen kontraproduktiv sind, dass genau dafür intensiver gearbeitet werden muss, dass genau dafür dann auch Arbeitsplätze wegrationalisiert werden müssen – all das sieht die heutige Gewerkschaft ein und trägt es deshalb mit!

3. Für die heutige Gewerkschaft heißt solidarisch zusammenstehen: Ganz im Sinne der Standortkonkurrenz müssen sich die deutschen Arbeiter gegen andere Nationen, z.B. China, behaupten. Dass die Durchsetzung gegen chinesische Konkurrenten bedeutet, dass dann eben chinesische Arbeiter Job und damit auch Existenzgrundlage verlieren, interessiert hier schon keinen mehr.
Nicht trotz, sondern auch wegen solchen Gewerkschaften arbeiten die Leute weltweit (!) immer noch unter der Bedingung, andere reich zu machen und bleiben selber arm. Der Kampf um ihre Existenzgrundlage hört nie auf. Sie stehen im Prinzip genauso beschissen da wie vor 125 Jahren.

Deswegen sind wir für eine andere gewerkschaftliche Kampfbewegung!

Eine andere gewerkschaftliche Kampfbewegung ist sich des Gegensatzes der Interessen von Kapital und Arbeit bewusst und hat dessen Überwindung zum Ziel:

1. Eine solche Gewerkschaft erklärt daher den Arbeitern, dass ihr Schaden (Lohn, der nicht zum Leben reicht & anstrengende Arbeitsbedingungen) notwendig aus ihrer Lage als Lohnabhängige resultiert und deswegen auch nie aufhört, solange es dieses System noch gibt. Eine solche Gewerkschaft, die sich der Notwendigkeit des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit bewusst ist, ist deshalb eine revolutionäre Gewerkschaft.

2. Eine revolutionäre Gewerkschaft orientiert ihre Forderungen immer an der materiellen Lebenslage der Arbeiter. Und genau an diesem Maßstab misst sie ihren Erfolg – und nicht am Maßstab der Bedürfnisse der Gegenseite. Wenn eine revolutionäre Gewerkschaft also Kompromisse (z.B. Tarifabschlüsse) eingeht, um im Hier und Jetzt mehr raus zu holen, tut sie das in dem Bewusstsein, dass jeder Abzug von ihren (Lohn-)Forderungen Ausdruck davon ist, dass der Gegensatz ganz grundsätzlich beseitigt werden muss.

3. Solidarität unter den Arbeitern muss heißen, dass alle Geschädigten – egal ob Arbeiter in Deutschland, China oder den USA, egal in welcher Berufsgruppe, egal ob gerade in Beschäftigung oder arbeitslos! – ihre Konkurrenz so weit möglich zurückstellen, um die Ursache für ihre Konkurrenz zu beseitigen. Ein Argument im Lohnkampf, das die Arbeiter gegeneinander ausspielt, ist ein schlechtes Argument.

Im Kapitalismus sind Gewerkschaften notwendig und nützlich für die Arbeiterklasse.

Aber: Sie sollten nicht vergessen, dass sie gegen Wirkungen kämpfen, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen!
Sie sollten daher nicht in diesem unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen, der aus den nie enden wollenden Kostenkalkulationen und Gewinnstrategien des Kapitals entsteht. Denn unter dem Motto: ‚Ein gerechter Lohn für ein gerechtes Tagwerk!‘ laufen sie den Berechnungen der Gegenseite immer nur hinterher. Stattdessen sollte sie die Ursachen des dauernden Kämpfen-Müssens angehen:

”Nieder mit dem Lohnsystem!”
Wer unsere Kritik an der Gewerkschaft oder unsere Vision einer anderen teilt oder über diese streiten will ist herzlich eingeladen.

4. Mai 2016, 19 Uhr, Bahnhof Langendreer (Wallbaumweg 108, Bochum), Raum 6