Lehre der Corona-Krise über die EU

Die EU wird in der deutschen Öffentlichkeit gerne als die Überwindung von nationalem Egoismus und als geradezu einzigartiges Projekt von Friedenssicherung und Völkerfreundschaft gepriesen. Frage: Wie schaut diese Völkerfreundschaft in den letzten Wochen aus, wo ein neuartiges Virus grassiert und den europäischen Völkern ziemlich zu schaffen macht? 

Kaum hatte das Corona-Virus in Europa, inbesondere Italien, Fuß gefasst und einige hundert Tote verursacht, kam die deutsche Regierung zum Entschluss, dass medizinische Schutzausrüstung nicht mehr exportiert werden dürfe. Diese nun so wichtigen Produkte müssten zu allererst für die Minderung der deutschen Virusschäden herhalten, egal wie sehr auch die europäischen Nachbarn und Freunde diese brauchen. Italien den Kauf von Schutzausrüstung zu verweigern, war zwar offiziell kein kriegerischer Akt, doch schädigte Deutschland hier direkt die Interessen Italiens an seiner Volksgesundheit und nahm dabei in Kauf, dass einige Italiener mehr über die Klinge springen. 
Nachdem China sich der italienischen Not annahm, geriet die deutsche Regierung in Sorge, dass die fernöstliche Weltmachtkonkurrenz ihr einen Juniorpartner streitig macht. Nun lässt die BRD wieder Ausrüstung innerhalb der EU exportieren, wenn auch nur mit Sondererlaubnis, lässt italienische Patienten mit Bundeswehrflugzeugen in deutsche Krankenhäusern fliegen und demonstriert so ihren Beistand in dieser Krise. Auch wenn der Kurs „Germany first“ ist, sollen die anderen europäischen Nationen sich als Juniorpartner dieser Führungsmacht gut aufgehoben fühlen. 

Die europäischen Nationen beschäftigt neben dem Problem der Volksgesundheit, das ihnen das Virus bereitet, die Frage, wie sie ihre nationale Wirtschaft durch die Krise bekommen, dabei möglichst wenig Schaden einstecken und möglichst früh zu einem neuen Aufschwung kommen. Allen ist klar, das wird teuer. 
Das Geld dazu soll von den Finanzmärkten kommen: „Corona-Bonds“ sollen her, verlangen die Politiker der südeuropäischen Länder. Alle Euro-Länder sollen bei diesen Anleihen gemeinsam für die Kredite haften, die in der Corona-Krise von einem Euroland zur Krisenbewältigung aufgenommen werden; die Zinsen wären somit gleichmäßig niedrig für alle Länder. Verlangen tun es diese Länder nicht, weil sie weiter im Süden liegen, sondern weil sie die Kredite anderenfalls deutlich teurer zu stehen kommen würden. Als wirtschaftliche Verlierer in der EU haben sie für Schulden an den Finanzmärkten deutlich mehr Zinsen zu zahlen und müssen somit viel enger mit dem Geld kalkulieren, mit dem sie ihre Wirtschaft retten wollen. 
Wie schon in den bisherigen Krisenlagen der Euro-Länder lehnt Deutschland allen voran die gemeinsame Haftung für die Schulden ab. Sollten sich Euro-Länder die Kredite in der Krise nicht mehr leisten können, so sieht Deutschland die Eurostaaten mit ihrem Rettungsschirm gut ausgerüstet. Mit dem habe man schon so gute Erfahrungen gemacht, so z.B. Griechenland Kredite unter strengsten Spar- und Privatisierungsauflagen zu machen. Wie jedes einzelne Land seiner Wirtschaft in der Krise helfen können soll, soll sich nach deutschem Standpunkt an der Verschuldungsfähigkeit und somit in erster Linie an der wirtschaftlichen Stärke der Länder messen.

Das aber heißt: Deutschland will seine Wirtschaft mit dem billigem Kredit, über den es in der Euro-Zone aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke verfügt, aus der Krise hinausführen. Es stört sich nicht daran, sondern ist im Gegenteil aktiv daran beteiligt, wenn die wirtschaftliche Krise im Folge von Corona die anderen EU-Staaten weiter schädigt. Auf diese Art und Weise kann der deutsche Standort die Unternehmen in Europas Süden weiter kaputt konkurrieren und die brauchbaren Reste an sich reißen. 

Fazit und Lehre: Kaum hat die wirtschaftliche Krise begonnen, streiten die europäischen Staaten darum, wer von ihrer Gemeinschaft den Schaden zu schultern hat. Die EU offenbart sich als eine Gemeinschaft von Konkurrenten, in der die BRD als wirtschaftliche Großmacht den Ton angibt.

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